Die August-Hinrichs-Bühne heißt vorerst Niederdeutsche Bühne am Oldenburgischen Staatstheater. Der Heimatdichter hatte während der Nazi-Diktatur enge Verbindungen zu den Nationalsozialisten. Zur Umbenennung ein Interview mit Direktorin Dr. Franziska Meifort und Präsident Prof. Dr. Uwe Meiners von der Oldenburgischen Landschaft.
Die August-Hinrichs-Bühne hat ihren Namen abgelegt und heißt vorerst Niederdeutsche Bühne am Oldenburgischen Staatstheater. Großen Anteil daran hatten die Geschäftsführerin und der Präsident der Oldenburgischen Landschaft, Franziska Meifort (40) und Uwe Meiners (72).
Welchen Anteil hatte die Oldenburgische Landschaft am Meinungsbildungsprozess bei der August-Hinrichs-Bühne?
Uwe Meiners Wir haben vor etwa zwei Jahren der Bühne die Empfehlung gegeben, mit moderierender Unterstützung der Oldenburgischen Landschaft ihre und die Geschichte von August Hinrichs neu zu beleuchten.
Warum haben Sie diese Empfehlung gegeben?
MeinersZwischen 1996 und 2018 bin ich Direktor des Museumsdorfs Cloppenburg gewesen, das in den 1930er Jahren, konkret 1934, gegründet wurde. Sein Entstehen verdankt es letztlich dem Wohlwollen des damaligen Gauleiters Carl Röver, der versuchte, mit diesem Schritt Einfluss im katholischen Oldenburger Münsterland zu nehmen. Das Museum hat u.a. mit der Förderung einer jüngst erschienenen Dissertation versucht, diese Gründungsphase aufzuarbeiten und kritisch zu reflektieren. Auch das Oldenburgische Staatstheater bemüht sich seit jüngster Zeit darum, die eigene Geschichte der 1930er Jahren intensiver zu beleuchten und Hintergründe zu erforschen. Wie war das mit den Intendanten und Entscheidungsträgern in dieser Zeit? Mit Gustav Rudolf Sellner und anderen Akteuren, die überzeugte Nationalsozialisten waren? Auch im Oldenburger Theater ist völkisches Denken vertreten gewesen – wie in anderen Kultureinrichtungen und Vereinen des Oldenburger Landes auch. Vieles davon wurzelt in der Heimatbewegung mit ihrer späteren Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie und der Verherrlichung von „Blut-und-Boden“-Anschauungen. Der Übergang war oftmals fließend.
Wie beurteilen Sie August Hinrichs?
MeinersIch habe versucht, deutlich zu machen, dass die ideologische Inanspruchnahme der Dichtkunst von August Hinrichs der entscheidende Faktor in diesem Prozess gewesen ist. August Hinrichs ist bei diesen Vorgängen nicht nennenswert in Erscheinung getreten, er hat sich aber auch nicht verweigert. Dazu gehört auch die angenommene Ernennung zum Leiter der Reichsschrifttumskammer im Jahre 1935.
Er wurde gedrängt…
MeinersAugust Hinrichs hat sich aber auch nicht dagegen gewehrt, dass sein Bühnenstück über den Stedinger Bauernaufstand in der extra dafür errichteten Bühne „Stedingsehre“ in Bookholzberg aufgeführt wurde, im Gegenteil. Halb zog es ihn, halb sank er hin. Das galt in ähnlicher Weise auch für den Gründungsdirektor des Museumsdorfs Cloppenburg, Dr. Heinrich Ottenjann. In diesem Zusammenspiel von eigenem Wollen und politischer Inanspruchnahme muss man die Entwicklung der Niederdeutschen Bühne in Oldenburg sehen, die damit voll in die Regimekonformität hinüberglitt, bis hin – ganz bezeichnend – zur gewollt-verordneten Umbenennung in „August-Hinrichs-Bühne“ im Jahre 1939. Ich bin überzeugt, dass August Hinrichs alles andere als ein glühender Nationalsozialist gewesen ist. Entscheidend ist vielmehr die von ihm mindestens geduldete ideologische und politische Inanspruchnahme seiner Person und dessen, was sich mit eben dieser Bühne kulturpolitisch verbindet. Und das bedarf nach mehr als achtzig Jahren einfach der kritischen Reflektion.
Welche Rolle spielte das Staatstheater aktuell bei der Umbenennung der Bühne?
MeinersEs hat seit vielen Jahren immer wieder Gespräche und Bemühungen gegeben. Sie haben aber nie dazu geführt, dass das Namens-Problem und die damit verbundene Geschichte ernsthaft angegangen wurden. Nun kam der massive Druck aus den Reihen des Staatstheaters mit einem offenen Brief, dessen Inhalt auf eine Entscheidung drängte. Diese ist nun gefallen, und wir hoffen, dass damit ein Weg zur weiteren konstruktiven Zusammenarbeit aufgezeigt wird.
Was haben Sie den Mitgliedern der August-Hinrichs-Bühne gesagt?
MeinersIch habe den Verantwortlichen in mehreren Gesprächen und schließlich den Mitgliedern auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung durch Offenlegen der oben genannten Argumente empfohlen, auf den Namen Niederdeutsche Bühne am Oldenburgischen Staatstheater zurückzugehen und mit der erneuten Umbenennung die Gründungsgeschichte der Niederdeutschen Bühne, ihre frühe Angliederung ans Staatstheater im Jahre 1923 und ihre ideologische Vereinnahmung in den Jahren zwischen 1932 und 1945 aufzuarbeiten.
Gab es vorab Untersuchungen?
Franziska MeifortDie Debatte um August Hinrichs ist nicht völlig neu. Nicht zuletzt das Gutachten zu den Oldenburger Straßennamen von Prof. Dietmar von Reeken und Prof. Malte Thießen von 2013 hat ihn aus einer geschichtswissenschaftlichen Perspektive untersucht und eingeordnet. 2015 wurde August Hinrichs in einer durchaus umstrittenen Entscheidung des Stadtrats die Ehrenbürgerschaft der Stadt Oldenburg aberkannt. Nun wäre es sicherlich lohnenswert, diese ambivalente Figur anhand der Quellen noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Wie erklären Sie sich, dass die August-Hinrichs-Bühne so lange bis zur Namensänderung gebraucht hat?
MeinersVielleicht ist es eine Art Angst davor gewesen, sich mit der sympathischen, väterlich wirkenden Figur August Hinrichs‘ auseinandersetzen zu müssen. Er galt damals als poetischer „Landesvater“. Den ehrenvollen Titel hat er von der Dichterin Alma Rogge verliehen bekommen, deren Leben und Wirken ebenfalls der Neubewertung bedarf. Vielleicht ließen die Bühnenverantwortlichen es auch deshalb einfach laufen und auf sich beruhen. Vergangenheit lässt sich nicht auslöschen, was aber die Wahrnehmung ehrlich-kritischer Auseinandersetzung nicht verbietet. Eigentlich hätte das schon nach der Rede von Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 geschehen können, der damals im Bundestag sagte, dass man, wenn vom Kriegsende am 8. Mai 1945 die Rede ist, auch den 30. Januar 1933 in den Blick nehmen muss. Denn dass wir 1945 vom Faschismus Hitlers befreit worden sind, ist hier erst spät und zudem nur zögerlich ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Heute wird oftmals verdrängt oder vergessen, dass es nicht einzelne „böse“ Nazis waren, die Hitler unterstützt haben, sondern dass die NSDAP 1933 demokratisch zur stärksten Partei gewählt wurde – im Freistaat Oldenburg sogar schon 1932.
Wie geht es nun weiter?
MeifortWichtig ist doch, dass man nun zu einer ehrlichen und differenzierten Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Staatstheaters und der August-Hinrichs-Bühne im Nationalsozialismus kommt. Das unterstützen wir als Oldenburgische Landschaft unbedingt. Hierzu gehört auch, dass wir eine Ausstellung fördern, die ab September im Staatstheater gezeigt werden wird. Sie beschäftigt sich mit dem progressiven Intendanten Renato Mordo, der von 1920 bis 1923 in Oldenburg wirkte und zur Zeit des Nationalsozialismus aufgrund seiner jüdischen Herkunft verfolgt wurde. Er war es, der die spätere August-Hinrichs-Bühne als Niederdeutsche Bühne ans Theater holte.
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?
Meiners Nicht ganz unabhängig von der Namens-Diskussion begleitet uns eine politische Entwicklung, die nicht nur mir als Kulturhistoriker große Sorgen bereitet. Dass wir in einer Zeit von Krisen erneut eine Tendenz verzeichnen müssen, die rechtspopulistisches oder protofaschistisches Gedankengut salonfähig macht und zugleich Rückhalt in großen Teilen der Bevölkerung findet, habe ich in unserem Land eigentlich für unmöglich gehalten. Hier sind wir auch als Kulturakteure und -schaffende gefordert, im Sinne des Eintretens für humanistische und demokratische Grundwerte. Geschichte wiederholt sich nicht, gewisse Muster aber eben doch. Hier sollten wir gerade in Deutschland gewarnt sein.
aus NWZ Online, Text und Foto: Thomas Husmann