Liebevoll ­inszenierte Parabel „Krähe und Bär – oder de Sünn schient för uns all“ für Kinder

Ein Bär ist ein Bär ist ein Mensch. „Freten un schieten un slapen – dat mutt dat Leven sinn“, denkt sich arglos der Pelzmann im Zoo, weil er beim Blick durch die Gitterstäbe hindurch ja nicht wissen kann, wer draußen ist und wer drinnen.Bereit zum Rollentausch

Die freche Krähe aber weiß es besser, weil sie aus der Luft den Überblick behält. Sie dagegen muss sich in den grauen Städten ihre Mahlzeiten hart erkämpfen, lebt stets in der Gefahr, unter die Räder zu kommen. Der kesse Vogel ­öffnet seinem eingesperrten Nachbarn die Augen, dass es ein Leben außerhalb der ­Gefangenschaft gibt und ist bereit zum ­Rollentausch.

Die liebevoll ­inszenierte, kluge Parabel „Krähe und Bär – oder de Sünn schient för uns all“ von Martin Baltscheit für Menschen ab 7 Jahre feierte jetzt im Spielraum des Oldenburgischen Staatstheaters ­Premiere. Das Stück ist eine Zusammenarbeit mit dem Niederdeutschen Schauspiel/August-Hinrichs-Bühne unter der Regie von Ebru Tartıcı ­Borchers. Die 1990 geborene Theatermacherin inszenierte zum ersten Mal in Oldenburg.

Die Perspektiven der beiden Protagonisten sind zunächst klar definiert: Hier der plattdeutsch sprechende Bär (gespielt von Gerrit Frers) in der blauen Latzhose, der aussieht, wie gerade vom ­Trecker gestiegen, bräsig-brummig, ein gemütlicher Kern in der rauen Schale. Dort die flirrend-schöne Krähe ­(Julia ­Friede), die im reinsten ­Hochdeutsch die weite Welt ins Tiergefängnis bringt.Pakt der Ungleichen

Die 60 Minuten des Stücks werden für kleine und große Zuschauer zum Genuss. Das Bühnenbild von Sam Beklik ist ebenso minimalistisch wie zweckmäßig. Das von ihm entworfene Federkleid der Krähe ist fein ziseliert, die riesige Latzhose des dicken Bären eher eine Frage verlorener Selbstkontrolle. Die Dialoge sind witzig-spritzig. Und aus anfänglicher Hass­liebe ent­wickeln sich Komplizenschaft und Zuneigung. Die schlaue Krähe weiß, sie besitzt den Schlüssel zu Bär und dessen Vollversorgung mit Bananen, Äpfeln und Schlickerkram. Der gelangweilte Bär ist für ein bisschen Freiheit bereit, zum Äußersten zu gehen.

Um nicht schon vorab zu viel zu verraten: Der Pakt, den die ungleichen Partner schließen, hat mit einem Zaubertrank und einem Rollentausch zu tun. Und am Ende hat das tolle Duo auf der Bühne dafür gesorgt, dass die Sonne für alle gleich scheint. Großer Applaus! Das Theaterstück „Krähe und Bär – oder de Sünn schient för us all“, von Martin Baltscheit, Niederdeutsch von Cornelia Ehlers, ab 7 Jahre. Weitere Termine im November: 1./2./4./6./8./ 11./12./17./ 18./19./21./22./24. Tickets und Informationen unter: http://www.staatstheater.de

Text: Oliver Schulz NWZ 1.11.2021

KRÄHE (JULIA FRIEDE) UND BÄR (GERRIT FRERS) IM GLEICHNAMIGEN THEATERSTÜCK. BILD: STEPHAN WALZL