„Wenn die Federn nicht mehr federn„
Wie überkandidelt ist das denn? Theaterstühle aus dem Designer-Land Norwegen für den 87-Sitze-Minisaal der Emder Friesenbühne? Wir erzählen, wie es dazu kam.
Auch in einem alteingesessenen Plattdeutsch-Theater muss mal Neues unter den Popo. Erst recht, wenn die Polster nach 29 Jahren Einsatz die Biege machen und die Federn nicht mehr federn. So wie im „Lüttje Huus“ der Emder Friesenbühne. Die alten Theatersitzreihen im Saal haben die ehrenamtlichen Vereins-Bühnenbauer bereits komplett ausgebaut, in nur einem Tag nach dem letzten Auftritt der „Gigolo-Lehrjungs“. Die neuen Stühle sind in dieser Woche eingetroffen, müssen aber noch in Eigenregie zusammengebaut und montiert werden. Das Besondere: Die Sitze sind nicht mehr grau, sondern weinrot mit Armlehnen aus Birkenholz – und kommen direkt aus Norwegen.
Nicht weit weg von Haugesund
Nicht, dass die Bühntjer auf einmal überkandidelt geworden wären. „Es war die einzige Firma, die uns überhaupt geantwortet hat“, sagte Pressewartin Birgit Frerichs zu unserer Zeitung. Sechs Theatersitzhersteller hatte sie seinerzeit – noch weit vor Corona im Frühjahr 2019 – angeschrieben und um ein Angebot für 87 neue Stühle für zweimal elf Sitzreihen gebeten. Doch diese „Größenordnung“ war vielen wohl zu klein. Umso überraschter war Frerichs, als sich dann die Firma Skeie aus Sandnes südlich von Stavanger (und damit gar nicht so weit weg von Emdens Partnerstadt Haugesund) meldete. „Eigentlich hatte ich gemeint, nur deutsche Unternehmen im Internet herausgesucht zu haben“, erzählte sie, immer noch etwas verblüfft. Doch wie sich herausstellte, verfügt die Firma über einen deutschsprachigen Vertrieb.
Schon im Mai 2019 passierte das Angebot der Norweger die Mitgliederversammlung. Angesichts der fünfstelligen Summe und weil der Verein jahrelang auf diese Investition hingespart hatte, wollte der Vorstand das Okay der ganz großen Runde haben – und das fiel einstimmig aus. Der Auftrag kam im Gang. „Der Plan war eigentlich, im Sommer 2020 mit dem Projekt Neubestuhlung zu starten“, sagte Frerichs. Doch bevor die Möbelkombination ausgewählt und produziert werden konnte, kam der Corona-Knockout für den Spielbetrieb und ließ bei der Friesenbühne die Luft raus.
Erst Anfang 2022 löste sich die Schockstarre, und auch in das Stuhl-Projekt kam wieder Bewegung – angetrieben vom Skeie-Vertriebler, der anrief und sich für eine Besichtigung in Emden anmeldete, weil er wegen eines anderen Auftrags gerade sowieso „ganz in der Nähe“ sei. „Tatsächlich war er in Berlin“, amüsiert sich Frerichs jetzt noch. Aber in Norwegen sind die Wege ja bekanntlich länger.
Der Rest ist fast schon Geschichte: Der Vorstand wählte aus den Mustern seinen Favoriten, machte den Deal – kostentechnisch gesehen: zum Glück – noch vor dem Ukraine-Krieg klar und ließ vom Emder Parkettbauer Grabosch mit einem neuen feuerfesten Teppich den Grund bereiten. Der Rest ist fast schon Geschichte – auch, wenn sich die Bühnenbau-Gruppe für den Aufbau ordentlich Zeit nehmen kann. Denn erst ab April sollen die nächsten Aufführungen stattfinden.
Drittes Stuhl-Leben
Doch apropos Geschichte: Die der alten Friesenbühnen-Bestuhlung ist noch nicht auserzählt. Elf Komplett-Reihen, die noch annehmbar waren, konnten dank dem Sonder-Einsatz eines Bühnenmitglieds über Ebay-Kleinanzeigen weiterverkauft werden, allein acht nach Plön. Zum Dank dafür schenkte ihm die Friesenbühne weitere Sitze, die bald in einer zur Fußball-TV-Lounge umgebauten Scheune ein neues Leben finden sollen. Es wäre schon das dritte, denn ursprünglich stammen sie aus dem ganz alten Neuen Theater (bald: Festspielhaus am Wall), damals allerdings – bevor Polsterer Reinder Spree ihnen für den Umzug zur Brückstraße ein schickes Grau verpasste – noch ganz im Grün der 70er.
aus: NWZ Online: Text und Foto: Gaby Wolf