Feierlicher Auftakt der 30. Niederdeutschen Theatertage in Molfsee (Kreis Rendsburg-Eckernförde): Johannes Callsen, Minderheitenbeauftragter der Landesregierung, überreicht am Mittwochabend den Konrad-Hansen-Preis 2023 an Arne Christophersen.

Foto: v.l. Gesa Retzlaff, NDB Schleswig-Holstein, Birgit Brockmann, Mitglied der Jury und Laudatorin, Christin Kolbeck, 2. Preisträgerin, Arne Christoffersen, 1. Preisträger, Johannes Callsen, Minderheitenbeauftragter der Landesregierung,
Foto: NDR

Der gebürtige Flensburger erhält die mit 1.000 Euro dotierte Auszeichnung für sein niederdeutsches Theaterstück „An de Kant“ – „ein sehr komplexes und großartig geschriebenes Stück“, wie Jury-Vorsitzende Birgit Bockmann es in ihrer Laudatio beschreibt. Das Drama lichtet drei Bühnenbilder auf drei verschiedenen Zeitebenen über 60 Jahre hinweg ab – und das auch noch alles parallel.

Landesgeschichte im Drama verarbeitet

In „An de Kant“ greift Arne Christophersen ein Stück schleswig-holsteinischer Landesgeschichte auf: die Misshandlung Schutzbefohlener in Krankenhäusern oder Kinderheimen in der Nachkriegszeit. Seine Protagonistin Nicky erlebt das, was hunderte andere Kinder auch durchleben mussten.
Ein Thema, das es laut Birgit Bockmann absolut verdient, auf die Bühne gebracht zu werden: „Das würde eventuell auch den Opfern helfen, sich selbst in der Öffentlichkeit vertreten zu sehen. Ich habe aber nie damit gerechnet, dass einmal ein niederdeutscher Autor sich dieser Sache annimmt.“

Seit Jahrzehnten auf und hinter den Bühnen im Norden aktiv

Christophersen ist Lehrer und Lehrerausbilder für die Fächer Mathe und Physik und lebt mit seiner Familie in Tarp (Kreis Schleswig-Flensburg). Schon seit seiner Schulzeit spielt er Theater, war 1990 Mitbegründer der Flensburger Studentenbühne und engagierte sich später auch an der Niederdeutschen Bühne Flensburg.
Seit Jahrzehnten übersetzt er außerdem immer wieder bekannte Inszenierungen ins Niederdeutsche und schreibt auch eigene Theaterstücke. Die wurden zwar unter anderem auch schon vom Ohnsorg-Theater in Hamburg gespielt, „An de Kant“ ist nun aber das erste prämierte Stück.
„Ja, es ist ambitioniert, aber der Autor hat seine Mittel absolut im Griff. Es gelingt ihm eine ebenso anrührende wie erschütternde Geschichte zu erzählen. Die Figuren bleiben immer ihren Motiven treu, niemand ist böse oder gut, alle sind sie verstrickt in ihren eigenen Leben. Keine Regieanweisung ist überflüssig. Trotz der Komplexität entwickelt sich ein wunderbarer Erzählfluss. Und der Titel ‚An de Kant‘ ist großartig gewählt. Ein Leben an der Kante, ein Leben am Limit.“

2. Preis für Christin Kolbeck und ihr Stück „Paradies“

Und auch die Zweitplatzierte beim Konrad-Hansen-Preis 2023 kommt aus Flensburg: Christin Kolbeck, Jahrgang 1990. Auch sie engagiert sich an der dortigen Niederdeutschen Bühne, ist seit 13 Jahren Ensemblemitglied. Zwar schreibt sie schon lange Essays und Kurzgeschichten für ihr eigenes Blog, ein Theaterstück war bisher aber noch nicht dabei.In ihrem Erstlingswerk „Paradies“ geht es um Ethik und Moral. Die Frage nach Zeitgeistigkeit stelle sich hier schon allein des Titels wegen nicht, so Jury-Vorsitzende Birgit Bockmann: „Die Suche nach dem Paradies oder der Verlust des Paradieses treibt die Menschen seit Menschengedenken um.“

Ein ernstes Thema mit viel Leichtigkeit umgesetzt

Fünf Menschen warten gemeinsam in einem Raum darauf, wie es wohl weitergehen mag, jetzt wo sie gestorben sind. Hölle oder Paradies, wohin geht die Reise? Das sei zwar ein bekannter Plot, sagt Birgit Bockmann, aber:“Wie raffiniert die Autorin ihre Figuren führt, mit wie viel Witz und Esprit neben aller Angst und Hoffnungslosigkeit, Stillstand und Starre, sie die Figuren agieren lässt, mit was für einer Leichtigkeit sie sich der ganz großen Themen annimmt – Kriegsverbrechen, Sterbehilfe, Mobbing – das ist wirklich einmalig und außerordentlich begabt.“

Der Konrad-Hansen-Preis wird seit 2014 alle zwei Jahre vom Niederdeutschen Bühnenbund Schleswig-Holstein ausgeschrieben, um neue originär niederdeutsche Theaterstücke zu prämieren. So möchte der Bühnenbund das Repertoire an Stücken nicht nur lebendig halten, sondern auch weiter auszubauen.

Lina Bande NDR