Die Niederdeutsche Bühne Brake zeigt derzeit das emotionale Stück „Afschoben – Keen Platz för Idioten“. Die Protagonisten sind ein Spiegelbild der Gesellschaft – mit all ihren Problemen und Intrigen.
Minutenlanger Applaus war die Belohnung der Zuschauer für die grandiose Leistung der Darsteller, die auf der Niederdeutschen Bühne (NDB) Brake die Premiere von „Afschoben – Keen Platz för Idioten“ feierten. Herausragend waren vor allem die Schauspieler Rainer Büsing, der die emotionalen Handlungen seiner Rolle bis zum realen Tränenfluss überzeugend darstellte, und Tino Roccor, der wieder einmal bewies, dass er Charakterrollen sehr authentisch mimt. Insgesamt agierte das NDB-Team unter der Regie von Philip Lüsebrink und der Regieassistenz von Manuela Schöler in diesem hochemotionalen Stück leidenschaftlich und überzeugend.
Nutzloser Sohn
Eigentlich wird jede helfende Hand gebraucht auf dem Bauernhof von Ehepaar Möller, doch es gibt nur den Sohn Bernie (Tino Roccor), der – wie seine Mutter Lina (Birgit Harms) sagt – nicht normal ist. Wenn sie sehr verzweifelt ist, bezeichnet sie Bernie sogar als nutzlosen Idioten.
Die Mutter will Bernie einfach nicht mehr im Haus haben und gibt ihn dem Gelegenheitsarbeiter Hannes (Rainer Büsing) zur Pflege. Hannes nimmt Bernie bei sich auf, geht liebevoll mit dem Jungen um und bringt ihm so viel wie möglich bei. Doch schon Friedrich Schiller schrieb: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“
Und so hört das Gerede im Dorf einfach nicht auf. Selbst wenn Hannes mit Bernie abends im Krug sitzt und sich der Gelegenheitsarbeiter von seinem harten Arbeitstag ausruhen will, gibt es immer Menschen wie Klatschtante Ruth – hervorragend böse gespielt von Anne Schröder – die über den Jungen herziehen.
Eskalierende Intrigen
Es wird intrigiert, bis sich schließlich der Wirt und Bürgermeister (Detlef Gerdes) dem Willen beugt und den Männern Hausverbot erteilt. Da hilft es auch nicht, dass Helga (Christine Ulrich) immer wieder dagegen anredet und versucht zu beschwichtigen. Der Gendarm Georg (Holger Wedeken) hält sich lieber raus.
Doch eines Tages eskaliert die Situation, die Verzweiflung bricht aus dem machtlosen und hilflosen Gelegenheitsarbeiter Hannes heraus. Im Publikum war es besonders in diese Szene mucksmäuschenstill und es schien, als würde jeder Einzelne den Schmerz, der Hannes in diesem Moment in jeder Pore, in jedem Wort, in jeder Mimik quält, mitspüren. Diese Emotionalität war eine schauspielerische Meisterleistung.
Spiegelbild der Gesellschaft
Die Menschen, die in dem Stück auftreten, spiegeln alle einen Teil der Gesellschaft wider: Da ist der Polizist, der ein Geheimnis in sich trägt und sich nicht an den Hetzereien beteiligen mag. Da ist die eine Frau, die den Jungen immer wieder verteidigt, und die andere Frau, die immer wieder lästert. Da ist der Bürgermeister, der es jedem recht machen und Ruhe im Dorf möchte.
Das Ende wird die Zuschauer überraschen, denn es ist anders als bei der ersten Aufführung vor 30 Jahren. Und wahrscheinlich lässt es das Publikum nachdenklich zurück.
aus: NWZ Online. Kerstin Seeland. Karten: https://ndb-brake.de