Das Niederdeutsche Theater Delmenhorst liefert Meisterhaftes mit
„Vun Achtern un vun Vörn“
Minutenlanger Applaus und stehende Ovationen – Dabei ist doch so ziemlich alles schiefgelaufen, was schieflaufen konnte. Naja, zumindest alles, was schieflaufen sollte. Das perfekt organisierte Chaos eben. Mit der turbulenten Komödie „Vun Achtern un vun Vörn“ („Der nackte Wahnsinn“) von Michael Frayn (Niederdeutsch: Hartmut Cyriacks und Peter Nissen) lässt das Niederdeutsche Theater Delmenhorst (NTD) sein Publikum fast genauso atemlos zurück wie sein Ensemble am Ende gewesen sein muss. Es ist eine wahre Tour de Force, die hier auf die Bühne des Theaters „Kleines Haus“ gebracht wird, mit der sich das NTD selbst übertrifft. Und schon das Premierenpublikum restlos begeisterte.
Ein drittklassiges Tourneetheater
Es ist die Geschichte eines drittklassigen Tourneetheater-Ensembles, das einen Tag vor der Premiere steht. Nichts klappt. Türen klemmen, Requisiten sind falsch platziert, und wie war nochmal der Text? Dabei fängt der erste Akt ja noch gemächlich an. Franz Pache steht als Regisseur Lars Von Leer im Zuschauerraum und wirft seinen Chaos-Darstellern immer wieder Anweisungen zu. So fühlt man sich als Publikum direkt selbst mit als Teil des Geschehens. Doch es dauert nicht lange, da dreht die neunköpfige Riege richtig auf. Die vier Meter hohe, zweigeschossige Kulisse aus Treppe, acht Türen und einem Fenster muss einiges aushalten. In rasantem Tempo und mit einem perfekten Timing wirbeln die Schauspieler über die Bühne, Türen auf, Türen zu, durchs Fenster, trampelnd die Treppe rauf und wieder runter. Herrlich vor allem, wie Helge Siefken und Gesa Schierenstedt mit besonders theatralischer Gestikulation und Stimme in dem „Stück im Stück“ als, nun ja, mäßig begabtes Schauspiel-Duo Gerhard und Britta ihre Rollen Robert und Vicky geben. Alles klar so weit?
Perfekt abgestimmtes Chaos
Doch wie mag es erst hinter den Kulissen zugehen? Das erfährt das Publikum, als die Drehbühne um 180 Grad gewendet wird. Das NTD-Ensemble legt nochmal eine Schippe drauf und schafft es nun, nahezu ohne Text das wirre Backstage-Leben zu präsentieren. Wie zuvor auf der Bühne ist es nicht nur eine logistische Meisterleistung, die hier vollbracht wird. Das gespielte Chaos ist so perfekt aufeinander abgestimmt, dass man nicht weiß, ob man mehr lachen oder staunen soll. Szenenapplaus war jedenfalls öfters zu hören.
Es braucht wohl tatsächlich einen absoluten Profi, um so etwas zu inszenieren. Berufsregisseur Philip Lüsebrink ist ein echter Glücksgriff für das NTD. Was er aus dem Amateurensemble herausholt und mit ihm zusammen auf die Beine stellt, verdient höchste Anerkennung und den größten Respekt. „Die Darsteller leisten Profihaftes“, hatte Lüsebrink im Vorfeld verkündet. Das war nicht zu viel versprochen. So rasant geht es dann in den letzten Akt, vor dem die Bühne nochmal gedreht wird und die Zuschauer schließlich das Stück „To veel nich an“ zu sehen bekommen. So, wie es aussehen sollte bei der Premiere. Ob das gutgeht?
Gut gegangen ist es auf jeden Fall mit dem beeindruckenden Kulissenbau, der ein ganz eigener Star in „Vun Achtern un vun Vörn“ ist. Ein wahres Meisterstück aus der Hand von Bühnenmeister Axel Uhlhorn und seinem Team, mit dem er zudem sein 25-jähriges Jubiläum beim NTD feiert. Da er nach der fulminanten Premiere auch noch geehrt wurde, kam das Publikum aus dem Klatschen kaum noch heraus. Doch Applaus kann es für diese Inszenierung ohnehin nicht genug geben.
Weitere Aufführungen
14., 15. und 16 März, jeweils 20 Uhr, 17. März, 15.30 Uhr, 22. und 23. März sowie 12. April, jeweils 20 Uhr, und 14. April, 15.30 Uhr. Infos und Tickets gibt es hier.
Britte Buntemeyer DELME-REPORT / Foto: Lars Pingel