Unterm Weihnachtsbaum hängt der Haussegen schief

Robert (Klaus Pflug) und Elli (Rita Martens) in der plattdeutschen Komödie „All ünner en Dannenboom“ am Staatstheater.
Bild: Lukasz Lawicki

Video: https://youtu.be/CI7rRa_uh6c

Weihnachten ist gleich Harmonie? Nicht bei Elli und Robert – die beiden zanken sich von Anfang an. Wir haben uns das neue Stück der August-Hinrichs-Bühne im Oldenburgischen Staatstheater angesehen.

Weihnachten kommt ja stets eher, als man denkt – und überhaupt, es ist doch nie zu früh für Besinnlichkeit, Beisammensein und schönen Schein. Auf den bauen auch Elli und Robert im Stück „All ünner en Dannenboom“, schließlich müssen die beiden pünktlich zum Fest wieder das seit vier Jahrzehnten glücklich verheiratete Ehepaar mimen. Worin das gipfelt, zeigt sich im neuen niederdeutschen Stück der AugustHinrichs-Bühne, das am Wochenende im Oldenburgischen Staatstheater vor vollen Rängen Premiere feierte.

Vorbei mit der Harmonie

Der Vorhang hebt sich, hinter dem Fenster rieselt beachtlich real der feine Schnee, es erklingt „Let it snow“ aus dem Radio – doch schon nach gut einer Minute Spielzeit ist’s vorbei mit der Harmonie. Denn die Wahrheit ist: Elli (Rita Martens) und Robert (Klaus Pflug) sind schon seit drei Jahren getrennt und leben mit neuen Partnern zusammen. Der Arzt Robert hat sich in seine Sprechstundenhilfe Chrissi verliebt, Elli hat sich den ­deutlich jüngeren Motorrad-Fahrlehrer Micha (Sven Gerstmann) geangelt.

Ihren Kindern Tobias ­(Patrick Schönemann), Leonie (Meike Groeneveld) und der ältesten Tochter Susanna ­(Britta Gurrey) samt Schwiegersohn Heiner (Eike Schaumburg) zuliebe wollen die Getrennten allerdings das „Schmierentheater“ weiter durchziehen. Friede, Freude, Eierkuchen unter dem Tannenbaum. Gar nicht so einfach, haben sich die beiden doch weiter voneinander entfernt als Nord- und Südpol. Kaum kommen sie zur Tür ­herein, zanken sie sich am laufenden Band – und werfen sich dabei auch das ein oder andere Schimpfwort an den Kopf: „Sprechstunden-Hengst!“ – „Motorrad-Flittchen!“

Eigentlich sind Elli und ­Robert routiniert, die Weihnachtsfarce aufrechtzuerhalten. Doch in diesem Jahr kommt unangemeldet Chrissi (souverän als krankheits­bedingter Ersatz für Silke ­Freese dabei: Melanie Lampe) zu Besuch und verlangt nach Jahren des Versteckspiels, endlich die Karten auf den Tisch zu legen. Da kommt mächtig Druck auf den Kessel, was sich immer wieder in spitzen, humorigen Dialogen entlädt.

Unter dem Deckmantel der launigen Komödie stimmt „All ünner en Dannenboom“ aber auch ernste Töne an und gibt einen Einblick hinter die Fassade der heilen Welt, die alle Familienmitglieder so gern bewahren wollen. Denn Elli und Robert sind längst nicht die einzigen am festlichen Tisch mit einem Geheimnis…

Tolle Leistung

Das Wort Amateurbühne möchte man bei der AHB eigentlich gar nicht in den Mund nehmen, schauspielerisch müssen sich die Darsteller vor ihren hauptamtlichen Kollegen nicht verstecken. Sprachtechnisch können wie immer auch diejenigen dem Stück gut folgen, die des Plattdeutschen nicht so mächtig sind. ein weihnachtliches, kurzweiliges Stück – witzig, aber in manchen Momenten auch berührend.

aus NWZ Online:Tonia Hysky