Die Premiere von „Utmustert“ im Theater am Meer wurde mit stehenden Ovationen gefeiert. Arnold Preuß glänzte als Willy Lohmann in der niederdeutschen Adaption von Millers Klassiker „Tod eines Handlungsreisenden“.
Bravo-Rufe und lang andauernde stehende Ovationen gab es am Samstag für eine Premiere, die in der Geschichte des Wilhelmshavener Theaters am Meer einen besonderen Platz einnehmen wird: Arthur Millers Klassiker „Tod eines Handlungsreisenden“ in der niederdeutschen Fassung als „Utmustert“.
Eine Voraussetzung für dieses herausragende Theaterereignis setzten seinerzeit Hartmut Cyriacks und Peter Nissen, die legendären Übersetzer am Hamburger Ohnsorg-Theater. Sie übertrugen das ur-amerikanische Stück nicht einfach, sondern adaptierten es in reale deutsche Verhältnisse nach der Wiedervereinigung.
Die andere Voraussetzung schuf das Ensemble, das sich an Eindringlichkeit selbst übertraf. Und man darf trotz der starken Leistungen aller Akteure einen weit herausheben: Arnold Preuß, der als desillusionierter Willy Lohmann mit einer solch geradezu schmerzhaften Intensität agierte, dass es tief unter die Haut ging.
Schauspiel mit viel Herzblut
Wie dieser ausgebrannte Handelsvertreter nach Hause kommt und Ehefrau Linda – von Sylvia Sievers-Peeks mit viel Herzblut gespielt – vergeblich versucht, ihn aufzumuntern. Und schnell wird die ungute Spannung zwischen Vater und Sohn Buttje (Michel Waskönig) spürbar, der mit zunehmender Aufgewühltheit tobte.
Hier der Vater, der schon immer Illusionen geschürt hat, inzwischen aber längst weit hinter den ohnehin nie wirklich so großen Erfolgen hinterherhinkt, und dort der Sohn, der nichts Ordentliches zustande bringt und zugleich dem Vater mit seinen hochfliegenden Plänen durchaus ähnelt.
Da wird der jüngere Bruder Juppi (Fynn Dießner) konstant auf die Rolle der zweiten Geige verdrängt. Willy aber hadert immer mehr mit Gegenwart und Vergangenheit, die sich so vermischen, dass er mit seinem lange verstorbenen Bruder Bruno (Heinz Zomerland) Dialoge über dessen einstigen Reichtum und seinen eigenen misslungenen Bemühungen lamentiert.
Doch auch der alte Freund Kalli, mit wohlwollender Hilflosigkeit von Harald Schmidt gespielt, der auch das exzellente Bühnenbild gestaltete, kann Willy nicht aus seiner Verzweiflung reißen. Sein wohlgeratener Sohn Bernhard (Hauke Backhaus) aber bewirkt heikle Momente, wenn er als Schulkamerad Buttjes dessen Schludrigkeit und Versagen ausposaunt.
Beklemmendes Ende ganz in Schwarz
Ein finsterer Höhepunkt wird schließlich Willys Bittgang zu Helma Wagner, Nachfolgerin des stets wohlgesonnen Firmenchefs, für den er einst so tolle Verkaufszahlen reinholte. Sandra Krüger gibt dieser Frau die ganze desinteressierte Kälte des Wirtschaftsprinzips „Friss oder stirb“ und wirft ihn lässig raus, als er um Arbeitserleichterung bittet.
Diese Misere steigert sich in einen Schlagabtausch mit Sohn Buttje, bei dem grell offenbart wird, wie sehr diese beiden eine Enttäuschung füreinander sind. Zuerst allerdings der Vater, denn als Buttje das Abitur vergeigt hatte, suchte er Rat bei diesem und stolperte in dessen Hotel über eine halbseidene Geliebte (Talke Wittig) – was zum geheim gehaltenen Zerwürfnis führt.
Zum beklemmenden Ende hin muss Willy bitter feststellen, dass er wegen seiner Lebensversicherung tot mehr wert ist für seine Familie als lebend. Und wenn in der letzten Szene alle – außer Willy Lohmann – in Schwarz auftreten, erkennt auch der letzte Zuschauer, welch großartige Leistung auch Regisseurin Elke Münch hier vollbracht hat: mit viel Psychologie hat sie dafür gesorgt, dass die Schauspieler die komplexen Rollen nicht spielen, sondern mit höchster Intensität verkörpern.
aus: NWZ Online Wolfgang A. Niemann. 20.1.25. Foto: Theater am Meer